Zeit – Wie sie erlebt und gemanagte werden kann
Dr. Kirsten König
Abstract
Der Artikel diskutiert die Frage, welchen Zweck Zeitmanagement-Workshops erfüllen sollten und umschreibt auf dieser Basis einen Ansatz zur Gestaltung von Zeitmanagement-Workshops, um diesem Zweck gerecht zu werden.
Einleitende Gedanken - Zeitwahrnehmung
Um Zeit wahrnehmen zu können, bedarf es zunächst dem Verständnis davon, was Zeit ist. Die Deutungen gehen hierbei je nach fachlicher Disziplin auseinander. Für einen Physiker ist Zeit die Basis von Standardisierungen. Diese kann übertragen werden auf das soziale Miteinander. Somit dient die physikalische Zeit dazu unser soziales Miteinander zu synchronisieren. Für Biologen stellt Zeit den biologischen Rhythmus von Menschen und anderen Lebewesen dar. Dieser zeigt sich in periodisch wiederkehrenden Mustern (z.B. wach sein; schlafen). Diese Muster sind auch von den Variablen: Geschlecht und Alter (aber auch von Bildung und Einkommen) abhängig. Entsprechend ist Zeitwahrnehmung ein höchst individuelles Gut. Es steht in engem Zusammenhang mit den jeweiligen Lebensphasen, in denen wir uns befinden. Diese jeweiligen Lebensphasen stehen auch eng in einem organisationalen Zusammenhang. Organisationen prägen seit unserer Geburt die Art und Weise wie wir Zeit wahrnehmen und wie wir mit ihr umgehen. Zeitnormen werden zunächst über unser Elternhaus erlernt. Sie werden erstmals modifiziert, wenn wir in einen organisationalen Kontext eingebunden werden. Hierzu können Kindertagesstätten gehören. Im Speziellen sind es aber dann Schulen, Ausbildungsstätten und später der Arbeitgeber. Sie zeigen uns eine bestimmte Zeitpolitik. Wir sind gefordert diese zu akzeptieren um diesen Organisationen anzugehören. Unsere Zeitwahrnehmung wird also beeinflusst durch:
- Unser Alter
- Unser Geschlecht
- Unser Einkommen
- Unserer Bildung
- Unserer Religion
- Den Organisationen, denen wir angehören
- Familiären Verpflichtungen
- Den Möglichkeiten der Freizeitgestaltung
- Unseren Wünschen bezüglich unserer Zeitverwendung
- Unserer eigenen Zeitgestaltung
Insbesondere dem letzten der aufgezählten Punkte kommt eine starke Bedeutung zu. Wir treffen täglich Entscheidungen für oder gegen Tätigkeiten, die wir ausführen. Entsprechend verhalten wir uns entweder aktiv oder passiv: „Oft wird die Grundtatsache übersehen, dass Zeitempfinden und Zeitwertung sehr unterschiedlich sein können, je nachdem, ob der Mensch sich passiv oder aktiv verhält, ob er Zeit vorwiegend erlebt und erleidet oder ob er sie zum bestimmenden Faktor seines Handelns machen will (Wendorff 1988, S. 101).“ Der Grad zwischen Erleben und Erleiden ist somit schmal. Wir treffen täglich Entscheidungen hinsichtlich unserer Zeitverwendung, die dieses Gefühl beeinflussen. Erstrebenswert ist hierbei sicherlich das Erleben von Zeit. Dies wird oft damit gleichgesetzt, dass man Möglichkeiten der Zeitverwendung nutzt. Folgt man der Masse an Möglichkeiten kann wiederum aus dem Erleben auch schnell ein Erleiden werden. Insbesondere dann, wenn die sogenannte Eigenzeit oder auch Freizeit schrumpft und Erholungsphasen ausbleiben. Hieraus ergibt sich schnell ein Paradoxon der Zeitverwendung. Insbesondere dann, wenn wir versuchen Zeit durch den Einsatz von Technik zu sparen, haben wir im Endeffekt weniger Zeit. Es sind im Wesentlichen technische Prozesse im Bereich der Kommunikation, der Produktion oder auch im Bereich Transport, die sich beschleunigt haben. Diese Entwicklungen haben Zeitgewinne mit sich gebracht. Menschen versuchen ihr Lebenstempo zu beschleunigen, da die individuellen Zeitvorräte knapper werden. Es wird deutlich, dass wir durch Technik Zeit sparen, die wir dann trotzdem nicht haben und gerade durch diese Entwicklung zu verlieren scheinen (vgl. Rosa, 2005). Wir schaffen mehr in weniger Zeit; die vielen Eindrücke, die wir in diesem Zeitfenster sammeln, führen dazu, dass die Zeit schnell vergeht. Es entsteht somit Kurzweiligkeit. Das Gefühl von Langeweile entsteht, wenn Zeit eben nicht mit Tätigkeiten gefüllt wird. Entsteht also der Wunsch danach Zeit zu verlangsamen, muss sie zwangsläufig verschwendet werden.
Zeit im Arbeitsalltag
Der einleitende Absatz zur Zeitwahrnehmung hat die zentrale Herausforderung von Zeitmanagement in der Arbeitswelt bereits erahnen lassen: gerade in beruflicher Hinsicht haben wir es vermehrt mit Beschleunigungsphänomenen zu tun. Die E-Mail-kommunikation beschleunigt Arbeitsvorgänge und lässt sie hiermit gleichfalls anwachsen. Denn in ein und derselben Zeit, schaffen wir es mehr E-Mails zu verfassen, als vorher beispielsweise Briefe. Der Umgang mit den sogenannten „neuen Medien“ kann hierbei auch zum Generationenkonflikt werden, denn nicht jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin gehört zu den so genannten „Digital Natives“. Gerade der zuletzt erwähnten Gruppen fällt die Auseinandersetzung mit neuer Soft- und Hardware leichter, als der Generation davor. Dies führt dazu, dass Fähigkeiten in einem Team oder einer Abteilung sehr unterschiedlich entwickelt sind und damit auch die hiermit verbundenen Arbeitsvorgänge in unterschiedlicher Geschwindigkeit erledigt werden können. Dadurch, dass es möglich ist bzw. möglich gemacht wird, dass wir in demselben Zeitfenster immer mehr erledigen können, steigt zum einen die Erwartungshaltung an die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und zum anderen der wahrgenommene Druck diesen Erwartungen gerecht zu werden (die sich dann oftmals nach Feierabend im Privaten fortführen). Die Folgen hieraus sind zum einen Stress und zum anderen das Gefühl, dass die Zeit, wie im Fluge vergeht.
Welchen Beitrag kann und sollte ein Zeitmanagement-Workshop leisten?
Die Praxis zeigt, dass Workshopteilnehmer in der Regel in Zeitmanagement-Workshops Methoden suchen, wie sie den steigenden Erwartungen und dem wachsenden Druck besser gerecht werden können. Sie streben damit in der Regel an, mehr in der derselben Zeit erledigen zu können. Und das meist mit der Folge von wachsender Zeitknappheit und Unzufriedenheit. Ich sehe daher den Zweck von Zeitmanagement-Workshops darin, Teilnehmer und Teilnehmerinnen zunächst dafür zu sensibilisieren, welche Faktoren dazu führen, dass sie das Gefühl von Unzufriedenheit oder den Wunsch nach Veränderung verspüren. Nach der Identifizierung der Ursachen, muss es dann darum gehen, den angestrebten Zustand zu beschreiben um dann daraus abzuleiten, welche Folgen dies für das eigene zeitliche Handeln nach sich zieht. Um zu diesem Punkt zu kommen, arbeite ich gerne mit dem Gedanken, der Ausgeglichenheit. Florian Opitz (2012, S. 243) beschreibt es nach seinem Besuch in Bhutan so, dass der Weg zu Glück und Wohlbefinden in folgender Zeitaufteilung zu finden ist: 8 Stunden schlafen, 8 Stunden frei verfügbare Zeit und 8 Stunden arbeiten. Von dieser Philosophie ausgehend lässt sich gut reflektieren, in welchem Bereich die Workshopteilnehmer und -teilnehmerinnen ein Ungleichgewicht haben. Oftmals zeigt sich dann, dass die frei verfügbare Zeit, die Zeit ist, die zu kurz kommt.
Nach dieser Reflexion lernen die Workshopteilnehmer und -teilnehmerinnen zum Beispiel folgende Zeitmanagementmethoden kennen: klassische Methoden zur Zeiteinteilung sowie die Zeitplanung entlang des Biorhythmus und Methoden im Umgang mit Aufschiebeverhalten. Anschließend reflektieren sie ihre Anwendung im Alltag. Ein wichtiger Bezugspunkt ist hierbei die realistische Planung. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen sollen sich mit der Frage auseinandersetzen, wie viel von den Dingen, die sie sich vorgenommen haben, tatsächlich an einem Tag zu bewältigen sind. Wichtig ist hierbei, dass sie stets Erholungsphasen mit einplanen, weil der Erhalt der Arbeitsfähigkeit genauso wichtig ist, wie das „Mithalten“ bei der Arbeit. Entsprechend gilt es beim Zeitmanagement nicht nur das methodische Handwerkszeug zu vermitteln, sondern gleichfalls darum für einen bewussten Umgang mit Methoden und Selbstachtsamkeit zu sensibilisieren. Daher empfehle ich gerne folgenden Umgang mit dem Ziel der Veränderung von zeitlichem Handeln:
Literatur
Opitz, Florian (2012): Speed. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Goldmann. München
Rosa, Hartmut (2005): Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main
Wendorff, Rudolf (1988): Tag und Woche. Monat und Jahr. Eine Kulturgeschichte des Kalenders. Westdeutscher Verlag, Opladen